Zarte und expressive Musik aus China
Wattwil, 16. Februar 2009
Yang Jing, die in Luzern lebende, weltbekannte Virtuosin auf den chinesischen Instrumenten Pipa, Guzheng und Guqin will Ost und West verbinden mit ihrer Musik. Sie spielte eigene Kompositionen sowie traditionelle und moderne chinesische Musik.
Den Anfang des diesjährigen Konzertzyklus Pro Wattwil machte die Chinesin Yang Jing. Im wallenden, pflaumenfarbenen Seidenkleid kam sie auf die Bühne. Das Bühnenbild hinter ihr, schwungvoll getuschte Noten auf Tafeln, eine Bodenvase mit Kirschblüten und Lilien, wertete die Aula der Kantonsschule zum Konzertsaal auf, verbreitete die Atmosphäre von Frühling und Asien. Der Wirtschaftsboom in China ist präsent, nicht aber dessen lange Tradition als Kulturnation. Und von seiner Musik weiss man kaum etwas.
Yang Jing erklärte die Geschichte der Pipa. Ungefähr 600 vor Christus kamen über die alte Seidenstrasse Einflüsse aus Ägypten, Griechenland, dem mittleren Osten und Indien durch die Wüste Gobi nach China. In dieser Zeit der Han-Dynastie entstand die Pipa als Weiterentwicklung älterer chinesischer Instrumente.
Geistige Musik
Im ersten Stück, dem von Yang Jing komponierten «Tanz entlang der alten Seidenstrasse», verarbeitete die Musikerin Herkunft und Überlieferungsgeschichte, und begeisterte das Publikum, dass die Aula fast füllte, mit der ungeheuren Vielfalt der Klänge und musikalischen Möglichkeiten der Pipa. Einzelne, klingende Töne leichter Melodien wurden begleitet von vollen Akkorden. Ihre fünf Finger der rechten Hand, an denen kleine Plättchen geklebt waren, strichen, zupften, rauschten über die Saiten. Im Stück «Enthüllung» steigerte Yang Jing ihre expressive Ausdrucksweise. Wissenschaftler hatten Aufzeichnungen in der Wüste Gobi gefunden, die davon zeugten, dass in früherer Zeit, vor dem 5. Jahrhundert, die Pipa mit einer wesentlich reicheren Tonskala gespielt wurde. Yang Jing trillerte, rasselte, liess einzelne Töne nachschwingen. Sie klopfte auf den Resonanzkörper aus Mahagoni.
Instrument der Philosophen
Nach dem Konzert durfte das Publikum die Instrumente in die Hand nehmen, darüber streichen. Einige setzten sich hin und spielten auf den beiden «Zithern» Guzheng und Guqin. Letztere ist von der Unesco als Weltkulturerbe anerkannt. Das siebensaitige Instrument ist das Instrument der chinesischen Philosophen. Im klassisch chinesischen Stück «Gespräch zwischen einem Fischer und einem Holzsammler in den Bergen», entwarf Yang Jing die musikalische Dichtung über das Sein. Die chinesische Musik geht zurück auf die Philosophie des Tao, mit den fünf Elementen Metall, Holz, Wasser, Feuer und Erde. In der chinesischen Musik gibt es eigentlich nur fünf Töne. «Die Schönheit liegt zwischen den Tönen», sagte Yang Jing. Die Töne gehörten nämlich Buddha. Was man hören kann, habe seine Grenzen, hat Laotse gesagt, und meinte damit, dass die Musik aus mehr bestehe, als das was man hören kann.
Die Töne der Handwerker
Ab dem 5. Jahrhundert bekam die traditionelle chinesische Musik immer mehr symbolischen Charakter. Die Herrschenden benutzten die Musik zur Volkserziehung, um Tugenden zu verbreiten. Jeder Ton stand für einen gesellschaftlichen Stand. Yang Jing sang die Töne der Beamten, der Handwerker. Heute aber, sei ihr Anliegen, Ost und West mit Musik zu verbinden. Die Pipa könne mit allen Instrumenten zusammenspielen, auch mit Symphonieorchestern, denn sie kann in allen Tonarten gestimmt werden.
Klanggewitter
Yang Jing spielte ein Stück aus der modernen, von einem Japaner komponierten Oper: «To die for Love» mit eingängigen, aber sehr melancholischen Melodien. Ihre Ode an den Boden im Yellowstone Nationalpark, der sich bewegt, der Fontänen heissen Wassers speit. «Geysir» war sehr vom Jazz geprägt, ein wahres Klanggewitter, es hallte blechig, wie Zimbeln oder Schellen. Yang Jing klopfte zum Schluss dreimal auf ihr Instrument. Trotz dem stark expressiven Ausdruck sind Pipa, Guzheng und Guqin leise Instrumente mit zarten Tönen. Was wie ein Widerspruch klingt, macht diese Musik aus
Text: TANJA TRAUBOTH, Bild: tra